Park in Progress
Urban Agriculture – Was in New York als neuer Trend gehandelt wird, ist in den Weiten Berlins schon längst Realität. Glaubt ihr nicht? Dann setzt sofort in die M8 Richtung Herzbergstraße. Denn Plattenbauten sind nicht das einzige, was in Lichtenberg aus dem Boden sprießt
Als „Park in Progress“ stellt ein Schild am Eingang das weitläufige Areal rund um das Evangelische Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge vor. Seit 2010 als Landschaftspark Herzberge mehr oder minder bekannt, erstreckt sich das Stück Wandel in Berlin über eine Fläche von gut 100 Hektar.
Dabei ist der Landschaftspark Herzberge kein Park im klassischen Sinn. Er ist vielmehr eine Mischung aus Brach- und Grün-, Erholungs- und Nutzflächen. Neben einem Teich, Schafweiden, den obligatorischen Bäumen und einer Streuobstwiese beherbergt er auch ein Krankenhaus und gar Wohnanlagen.
Als Berlin sich im 19. Jahrhundert sprunghaft ausdehnte, wurde neben den umliegenden Gemeinden auch viel landwirtschaftliche Fläche Teil der Stadt – Urban Agriculture in ihrer frühesten Form. Seit einigen Jahren versucht man im Landschaftspark Herzberge eine solche urbane Landwirtschaft wieder aufleben zu lassen. Daher ist der Park, der sich immer noch in einem Entstehungsprozess befindet, gleichzeitig Erholungsort und landwirtschaftliche Nutzfläche. Schlendert man das gesamte Areal ab, wirkt der Park wie ein Flickenteppich – hinter jeder Gabelung verbirgt sich was Neues. Hier einige eingezäunte Wiesen für die Schafe, dort ein dichtes Wäldchen, im Süden eine weitläufige Fläche mit Obstbäumen. Zum Erholen lädt außerdem die Gartenanlage mit Springbrunnen des Evangelischen Krankenhauses ein (das nebenbei bemerkt überhaupt nicht wie eines aussieht). Wer außerdem schon einmal in Barcelona war, den wird die Mosaikbank am südlichsten Ende des Geländes unweigerlich an Gaudis Park Güell erinnern. Auch ein bisschen Kunst wird also geboten.
Yoga nicht unter, sondern mit dem Weidenbaum
Neben seiner vielseitigen Landschaft wartet der Park mit einem vielfältigen Programm auf: Kleine Besucher erwartet eine Quiz-Rallye, Entspannungsbegeisterte lädt ein Natur- und Gesundheitspfad zu 15 verschiedenen Yoga-artigen Übungen ein. Diese muten teilweise skurril an – so sollen wir beispielsweise bei einem ausladenden Weidenbaum unsere Aura stärken (Weide anschauen, Augen schließen, mit Weide verbinden, Arme schlangengleich auf und ab bewegen und auf gar keinen Fall das Atmen vergessen!). Aber wer ein bisschen Zeit und Neugierde mitbringt, wird bei den Stationen, egal ob er die Übungen befolgt oder nicht, vor allem eines finden: Ruhe. Denn im Gegensatz zum Volkspark Friedrichshain ist der Landschaftspark Herzberge keineswegs überlaufen.
Das Einzige, das wir beim ausgiebigen Spaziergang durch den Landschaftspark beim besten Willen nicht ausfindig machen konnten, ist das so viel umworbene und groß angekündigte Pommersche Landschaf. Als natürlicher Rasenmäher sollte es über eingezäunte Grünflächen streifen und für Bauernhofatmosphäre sorgen. Aber auch ohne Schaf hat der Landschaftspark Herzberge es geschafft, mich von sich zu überzeugen. So werde ich ihn in die Liste meiner besonderen Orte in Berlin aufnehmen. Er ist vielleicht keines der Sightseeing-Highlights der Hauptstadt und nicht zu vergleichen mit einem Tiergarten in Mitte. Er bietet keine hippen Cafés, aber ein Fleckchen Ruhe inmitten der Großstadt. Und einen Besuch, der im Gedächtnis bleibt.